Ist das System noch bezahlbar? Interview mit Prof. Dr. Dr. Stefan Brunnhuber, Prof. Dr. Albrecht Hempel und Prof. Dr. Dr. Andreas Pfützner, Experten für die Finanzierbarkeit von Gesundheit

Wie lässt sich die Zukunft und das Gesundheitswesen noch finanzieren?

Dieses Gespräch wurde moderiert von Alexander Glogg und veröffentlicht von QS24 – Schweizer Gesundheitsfernsehen. Im Zentrum steht die Frage: Wie lässt sich die Zukunft insbesondere des Gesundheitswesens noch finanzieren? In dieser Zusammenfassung lesen Sie die wichtigsten Antworten, Perspektiven und Handlungsoptionen der drei Experten. Der Beitrag verweist auf weiterführende Angebote der QS24-Mediengruppe wie den Gesundheitskompass, die QS24 Academy und die QS24 Sprechstunden. Nutzen Sie auch die Ressourcen von QS24, wikiSana, QS24.tv um tiefer einzusteigen.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung: Die Rechnung, die noch kommt

Die drei Gesprächspartner skizzieren eine einfache, aber bedrängende Erkenntnis: Gesellschaften haben über Jahrzehnte Ressourcen verbraucht, Investitionen aufgeschoben und Kosten in die Zukunft verlagert. Heute steht die Frage im Raum, wie die bereits entstandenen und die weiterhin anstehenden Kosten — besonders im Gesundheitswesen — verantwortbar finanziert werden können. Der Ton ist ernst, aber lösungsorientiert: Es geht nicht um Panik, sondern um Gestaltung. Zur Unterstützung finden Sie am Ende Hinweise zu den Angeboten von QS24, wikiSana, QS24.tv und zur Teilnahme an den QS24 Sprechstunden.

Moderator Alexander Glogg stellt die Experten vor

Kernthemen des Gesprächs

  • Reparaturmedizin versus Prävention
  • Finanzarchitektur, Staats- und Geldpolitik
  • Ungleichheit und globale Mittelschicht als Kostenfaktor
  • Digitales Zentralbankgeld (CBDC) und seine Chancen/Risiken
  • Dezentrale Versorgung, Ambulatorisierung und Gemeindesteuerung

Frage: Wie dramatisch ist die finanzielle Lage des Gesundheitswesens wirklich?

Prof. Dr. Albrecht Hempel erklärt, dass das Problem nicht allein lokaler Natur ist, sondern in einem gesellschaftlichen Kontext zu sehen ist. Wenn Medizin überwiegend „Nacharbeit“ leistet, entstehen Kosten, die kumulativ wachsen. Er warnte davor, dass bei Fortführung des aktuellen Modells ein immer größerer Anteil der Wirtschaftsleistung für Medizin aufgewendet werden müsste. Hempel betonte die Bedeutung von ganzheitlichen Ansätzen, die Ursachen statt nur Symptome behandeln und so langfristig Kosten senken können.

Albrecht Hempel spricht über chronische Erkrankungen und Prävention

Frage: Welche strukturellen Fehlanreize existieren im System?

Prof. Dr. Dr. Andreas Pfützner führte aus, dass das derzeitige System monetäre Anreize schafft, die zum Teil im Gegensatz zur Heilungsabsicht stehen. Wenn ein System besser vergütet, solange Patienten chronisch betreut werden (»Sick-and-Alive«-Bias), entstehen Fehlanreize gegenüber nachhaltiger Heilung und Prävention. Pfützner plädierte deshalb für eine Systemänderung: Prävention muss honoriert und Versorgungsstrukturen so gestaltet werden, dass gesund erhalten ökonomisch attraktiver wird.

Frage: Welche Wege der Finanzierung sind realistisch?

Prof. Dr. Dr. Stefan Brunnhuber skizzierte mehrere Finanzierungswege: Philanthropie, private Kapitalmärkte, fiskalpolitische Maßnahmen und geldpolitische Instrumente. Seine These: Keine einzelne Quelle reicht. Besonders zentral sei die Frage, wie zusätzliche Liquidität zielgerichtet eingesetzt werden kann, etwa durch konditionierte geldpolitische Maßnahmen, damit die Kosten des bereits ausgelösten Schadens sozialverträglich abgefedert werden können.

Stefan Brunhuber spricht über konditionierte Liquidität und Zentralbanken

Konkrete Handlungsfelder

Frage: Was kann kurzfristig umgesetzt werden, um die Kosten zu dämpfen?

Die Experten nannten mehrere pragmatische Schritte: Ambulatorisierung von Leistungen, Stärkung von MVZ/Polikliniken, dezentral organisierte Pflege in Gemeinden sowie die Zusammenführung gesetzlicher und privater Finanzierungstöpfe, um die Solidarität zu stärken. Ebenso wichtig sei eine Entbürokratisierung, damit weniger medizinische Arbeitszeit für Dokumentation und Abrechnung verloren gehe.

Diskussion über MVZ und Ambulatorisierung

Frage: Welche Rolle spielt Prävention konkret?

Prävention ist aus Sicht der Runde nicht nur eine medizinische, sondern eine fiskalische Frage: Früher einsetzen spart später hohe Behandlungskosten. Pfützner hob hervor, dass Prävention derzeit nicht ausreichend honoriert wird. Hempel ergänzte, dass integrative Verfahren, psychologische Interventionen und Lebensstilmedizin viele chronische Verläufe abmildern oder verhindern können — was volkswirtschaftlich hohe Renditen bringt.

Frage: Ist digitales Zentralbankgeld (CBDC) eine Lösung oder Gefahr?

Ein kontroverses Thema: Brunnhuber sah CBDC als mögliches Werkzeug, um Geldströme gezielt und transparent zu lenken — etwa konditionierte Liquidität für Nachhaltigkeitsziele. Andere äußerten Datenschutz- und Machtbedenken. Die gemeinsame Einschätzung war: Technologie kann dienen, muss aber demokratisch eingebettet, reguliert und mit Schutzmechanismen ausgestattet werden.

Diskussion zur Einführung von CBDC ab 2026

Vision: Ein Bretton Woods 2.0 für die Transformation

Die Experten regten an, die Diskussion auf eine breitere Finanzarchitektur zu heben: Ein modernes »Bretton Woods 2.0« müsse Megatrends wie Multipolarität, Klimakrise und neue Technologien (KI, synthetische Biologie) berücksichtigen. Dabei ginge es nicht um nostalgische Rückkehr zum Goldstandard, sondern um Gestaltung einer resilienten globalen Finanzarchitektur, die Transformationen finanzierbar macht.

Überlegungen zu einer neuen Finanzarchitektur (Bretton Woods 2.0)

FAQ — Häufig gestellte Fragen

F: Werden wir in Zukunft deutlich höhere Steuern zahlen müssen?

A: Möglich — wenn das System unverändert bleibt, sind höhere Abgaben oder längere Erwerbszeiten wahrscheinlich. Alternative Wege sind Systemreformen, die Effizienz, Prävention und solidarische Finanzierungsmodelle stärken.

F: Kann Prävention das Gesundheitsbudget wirklich entlasten?

A: Ja. Früher investierte Prävention hat hohe soziale Renditen. Bildung, Lebensstilinterventionen und frühzeitige Sekundärprävention reduzieren chronische Verläufe und Ausgaben.

F: Ist die Nutzung privater Kapitalmärkte für Gesundheit sinnvoll?

A: Sie ist nötig, weil fiskalische Mittel allein nicht ausreichen. Allerdings müssen Investitionen risikogehatcht und politisch abgesichert werden — etwa durch GARANTIEN und First-Loss-Mechanismen —, damit private Mittel dort fließen, wo öffentliche Sicherheitsnetze fehlen.

F: Wie sicher sind digitale Geldformen gegenüber Machtmissbrauch?

A: Digitale Geldformen bergen Risiken, können aber auch Schutzmechanismen (Anonymisierung, Blockchain, Smart Contracts) integrieren. Entscheidend sind klare Regeln, demokratische Kontrolle und Transparenz.

Weiterführende Angebote und Aufrufe

Wenn Sie sich tiefer informieren oder aktiv werden möchten, nutzen Sie die Angebote der QS24 Mediengruppe:

  • Der QS24 Gesundheitskompass: Ausgabe 1 erreichte eine Auflage von 140.000 Exemplaren. Die zweite Ausgabe erscheint im November 2025 mit einer Auflage von über 600.000 Exemplaren, davon rund 580.000 im D‑A‑CH‑Raum.
  • QS24 Academy: Exklusive Kurse und Zertifikate mit Experten – besuchen Sie https://my.qs24.academy.
  • Online-Zeitung und Health-Portal: Stöbern Sie in Inhalten unter https://qs24.run/online.
  • Installieren Sie die QS24 App: QS24 App für alle Sendungen und Formate.
  • QS24 Sprechstunden: Interaktive Expertinnen- und Experten-Events mit Live-Fragerunden — mehr unter https://qs24.run/sprechstunden.
  • Melden Sie sich für den QS24 Newsletter an: Newsletter.

Nutzen Sie die Ressourcen von QS24, wikiSana, QS24.tv, Sprechstunden, um informiert zu bleiben und Teil der Debatte zu werden.

Schlusswort

Die Diskussion macht deutlich: Es gibt keine einfache, singuläre Lösung. Es braucht Mut zur Systemgestaltung, klare Prioritäten (Prävention vor Reparatur), und ein Bündel aus fiskalischen, monetären und privaten Mitteln, um die Zukunft bezahlbar und gerecht zu machen. Sie sind eingeladen, sich einzubringen — durch Teilnahme an den QS24 Sprechstunden, das Studium des Gesundheitskompasses und die Nutzung der QS24 Academy. Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Engagement.

Mit herzlichem Dank und besten Wünschen,

Alexander Glogg und das Team der QS24 Mediengruppe

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