In diesem Interview beleuchtet Dr. med. Simon Feldhaus die Mythen und Fakten rund um das Mikrobiom. Die Sendung wurde produziert von QS24 — Ihr Schweizer Gesundheitsfernsehen — und ist Teil eines Diskurses, der sowohl Schulmedizin als auch Ganzheitsmedizin verbindet. Dieser Beitrag fasst die wichtigsten Aussagen präzise zusammen, stellt kritische Fragen und gibt Ihnen handlungsunterstützende Orientierung. Sie finden die Originalsendung auf QS24, wikiSana, QS24.tv.
Inhaltsübersicht
- Einführung: Warum das Mikrobiom mehr ist als ein Hype
- Grundlagen und Messbarkeit
- Therapieansätze: Füttern, Milieu, Information
- Leaky Gut und Immunologie
- Spezifische Beispiele: Buttersäure und TMAO
- Ökologie statt Einzelsicht — Diversität richtig verstehen
- Praktische Schlussfolgerungen für Sie
- FAQ — Häufige Fragen
- Abschließende Gedanken — Diskurs statt Dogma
- Service, Angebote und Einladung
- Danksagung
Einführung: Warum das Mikrobiom mehr ist als ein Hype
Alexander Glogg: Wieso sollten Sie das Mikrobiom überhaupt ernst nehmen?
Dr. Feldhaus betont, dass die Gesundheit eines großen Teils des Menschen im Darm «verborgen» liegt — ein Grundsatz, der sowohl traditionelle als auch moderne Medizin verbindet. Gleichzeitig mahnt er zur Besonnenheit: Obwohl das Mikrobiom großen Einfluss auf Gesundheit und Krankheit hat, ist unser Wissen begrenzt. Daher plädiert er für eine Haltung, die informiert, aber nicht in Panik versetzt. In diesem Sinn stellen QS24 und wikiSana Diskussionsräume bereit, in denen solche Perspektiven zusammengeführt werden.

Grundlagen und Messbarkeit
Alexander Glogg: Was können Stuhlanalysen wirklich messen — und was nicht?
Dr. Feldhaus erklärt, dass heutige Stuhlanalysen PCR-basiert arbeiten und sehr genau zeigen können, welche Erbinformationen im Darm vorliegen. Doch: Die Labormedizin kann nur nachweisen, was bereits bekannt und katalogisiert ist. Viele Mikroorganismen bleiben unentdeckt. Daraus folgt: Zahlen allein (mehr oder weniger Kopien eines Keims) sagen wenig über die biologische Funktion im Darm aus.

Alexander Glogg: Was ist mit «Normwerten» im Mikrobiom?
Dr. Feldhaus weist darauf hin, dass Normwerte schwer zu definieren sind. Gesundsein ist variabel: Antibiotika, Geschlecht, Zyklusphase bei Frauen, Ernährung und Reiseaufenthalte verändern das Mikrobiom. Ein einmaliger Messwert ohne Kontext sagt deshalb wenig über Ihre Gesundheit. Wichtig ist die Frage: Funktioniert das System — nicht ob eine einzelne Zahl ideal aussieht.
Therapieansätze: Füttern, Milieu, Information
Alexander Glogg: Reicht es, Probiotika zu schlucken oder Akazienfasern zu nehmen?
Die einfache Antwort von Dr. Feldhaus lautet: Nein. Viele Empfehlungen beruhen auf dem Prinzip «Zahlen auffüllen» (wie bei einem Vitaminmangel im Blut). Im Darm funktioniert das nicht so einfach. Bakterien benötigen ein passendes Milieu (pH, Temperatur), Nährstoffe (Präbiotika) und Stoffwechsel-Bausteine (z. B. Q10, B12), um aktiv zu werden. Einfach nur 30 Milliarden Bifidusbakterien zu schlucken ersetzt nicht die komplexe Ökologie vor Ort.

Alexander Glogg: Können wir den Stoffwechsel der Darmbakterien gezielt unterstützen?
Dr. Feldhaus fordert ein Umdenken: Nicht nur «füttern», sondern auch die metabolischen Voraussetzungen für Mikroben schaffen. Er bringt das Beispiel Q10: Während ein Q10-Präparat für den Menschen bioverfügbar sein soll, bräuchte man andere Formulierungen, damit Q10 für Darmbakterien verfügbar wird. Solche orthomolekularen Ansätze für Mikroben sind noch wenig entwickelt, verdienen aber Forschungsaufmerksamkeit.

Alexander Glogg: Lebendige vs. tote Bakterien — was wirkt besser?
Interessanterweise gibt es Studien, wonach abgetötete, gefriergetrocknete Bakterien in bestimmten Indikationen schneller oder besser wirken können als lebende Kulturen. Die Qualität der Information (Kommunikation zwischen Mikroben) kann wichtiger sein als die bloße Anzahl lebender Keime. Deshalb sind pauschale Aussagen wie «nur lebendige Probiotika wirken» zu hinterfragen.

Leaky Gut und Immunologie
Alexander Glogg: Wie differenziert Dr. Feldhaus das Thema Leaky Gut?
Er unterscheidet zwei Formen: ein entzündungsbedingtes Leaky Gut, bei dem der «Mörtel» (sie nennen es Zonulin als Marker) verschwindet und die Zellverbände auseinandergehen; und ein degeneratives Leaky Gut, bei dem Zellen schrumpfen oder kaputtgehen (Marker IFABP). Wer nur Zonulin misst, kann ein persistierendes Problem übersehen. Therapie bedeutet: Ursachen verstehen — und nicht nur Symptome verbieten (z. B. Weizen, Milch sofort streichen).

Spezifische Beispiele: Buttersäure und TMAO
Alexander Glogg: Wie ist das mit Buttersäure-bildenden Bakterien?
Wichtig ist nicht nur die Zahl der Buttersäure bildner, sondern deren Aktivität. Ein Beispiel: 100 teils inaktiver Bakterien sind nutzlos gegenüber 50 sehr aktiven Produzenten. Moderne Analysen messen deshalb nicht nur Taxonomie, sondern auch Metabolite — etwa die tatsächlich vorhandene Buttersäure — um die Funktion statt nur die Zahl zu bewerten.

Alexander Glogg: TMAO-Alarm — wann ist Vorsicht geboten?
TMAO wird in Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Risiken diskutiert. Dr. Feldhaus warnt vor Panik: Aus einer erhöhten Zahl bestimmter Keime lässt sich nicht automatisch auf verstärkte TMA-Produktion schließen. Eine Relevanz lässt sich nur über Stoffwechselmessungen (Metabolome) klären. Erst wenn der Stoffwechsel tatsächlich auffällig ist, folgen sinnvolle Interventionen — nicht pauschales Fleischverbot.

Ökologie statt Einzelsicht — Diversität richtig verstehen
Alexander Glogg: Ist mehr Diversität immer besser?
Dr. Feldhaus verwendet die Waldmetapher: Ein tropischer Urwald hat enorme Diversität — aber in kalten Regionen ist eine angepasste, geringere Diversität der stabilere Zustand (Tannenwald bei Schnee). Ebenso gilt: Mikrobiom-Diversität muss zur individuellen Lebenswelt passen. Ein «Mustermikrobiom» mit 500 Stämmen aus einem Urwaldstamm ist keine universelle Norm. Entscheidend bleibt: Funktionalität und Anpassungsfähigkeit an Ihre Lebensbedingungen.

Praktische Schlussfolgerungen für Sie
Alexander Glogg: Was sollten Sie konkret tun — ohne Hype, aber mit Wirkung?
Dr. Feldhaus empfiehlt eine Haltung in drei Schritten:
- Verstehen: Lassen Sie sich nicht allein von Zahlen leiten. Fragen Sie nach funktionellen Messungen (Metabolite, Stoffwechselprodukte).
- Kontextualisieren: Jede Messung braucht Ihre persönliche Lebensgeschichte — Ernährung, Medikamente, Reisen, Stress.
- Regulieren statt ersetzen: Kleine, gezielte Impulse (Milieu verändern, präzise Nährstoffe, Informationsgeber) sind oft wirksamer als große, pauschale Maßnahmen.
Alexander Glogg: Wie sehen sinnvolle Therapieempfehlungen aus?
Therapieempfehlungen sollten immer individualisiert und diskursiv entstehen. Laborbefunde liefern Hinweise, aber keine automatischen Rezepte. Entscheidend ist das Gespräch zwischen Experte und Ihnen als Person: Ziele klären, Risiken prüfen und dann gezielt intervenieren — statt mit Angst zu arbeiten.
FAQ — Häufige Fragen
- Was sagt ein einzelner Stuhlbefund über meine Gesundheit?Ein einzelner Befund ist ein Momentbild. Entscheidend sind Funktionalität und Kontext: Ernährung, Medikamente und Lebensstil müssen berücksichtigt werden.
- Soll ich sofort Probiotika oder Akazienfasern nehmen?Nicht blind. Prüfen Sie, ob Präparate zu Ihrem Milieu passen. Manchmal sind kleine, gezielte Maßnahmen effektiver als allgemeine Empfehlungen.
- Ist Diversität immer gut?Diversität ist nicht per se besser — sie muss zur jeweiligen Umgebung passen. Wichtig ist die Anpassungsfähigkeit des Mikrobioms an Ihre Lebensbedingungen.
- Wie erkenne ich ein echtes Leaky Gut?Man muss entzündliche Marker (Zonulin) und degenerative Marker (IFABP) unterscheiden. Beide Messungen geben zusammen ein vollständigeres Bild.
Abschließende Gedanken — Diskurs statt Dogma
Dr. Feldhaus richtet einen klaren Appell: Weniger Angst, mehr Gedankenvielfalt. Mikrobiom-Forschung ist spannend, aber komplex. Wer behauptet, alles wisse man bereits, macht einen groben Denkfehler. Vielmehr braucht es offenen Diskurs, interdisziplinäre Forschung und individuelle Betrachtung — eine Brücke zwischen Schulmedizin und Ganzheitsmedizin.

Service, Angebote und Einladung
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Danksagung
Herzlichen Dank für Ihr Interesse an diesem Interview. Möge es Ihnen dienen, das Thema Mikrobiom mit einem offenen, kritischen und zugleich zugewandten Blick zu betrachten. Bleiben Sie neugierig — und gesund.
Mit herzlicher Dankbarkeit,
Alexander Glogg














