In diesem Gespräch erklärt Fachanwältin Nadia Pröpper-Schwirtzek, wie Praxen und Kliniken der Ganzheitsmedizin rechtssicher arbeiten können. Sie beantwortet zentrale Fragen zu Aufklärung, Abrechnung, Website‑Aussagen und Mitarbeiterschulung. Dieses Interview richtet sich an Ärzte, Heilpraktiker und Therapeuten, die mutige Therapiekonzepte mit einem soliden rechtlichen Rückgrat verbinden möchten.
Inhaltsverzeichnis
- Kurzüberblick: Worum es geht
- Das Interview
- Praxisbeispiele und konkrete Handlungsfelder
- FAQ
- Weiterführende Angebote und wie Sie Unterstützung finden
- Ressourcen und Aktionen von QS24
- Abschließende Gedanken
Kurzüberblick: Worum es geht
Integrative und komplementäre Medizin erweitern das Behandlungsspektrum. Gleichzeitig entstehen juristische Herausforderungen: Wie kommuniziert die Praxis mit dem Patienten? Welche Therapien weichen vom Leitlinienstandard ab und wie wird darüber aufgeklärt? Wie werden Leistungen korrekt abgerechnet? Und welche Aussagen sind auf der Website erlaubt? Nadia Pröpper-Schwirtzek skizziert praxisnahe Lösungen: geprüfte Behandlungsverträge, verständliche Aufklärungsbögen, Compliance‑Zertifizierungen und Workshops zur Praxisstruktur.

Das Interview
Frau Pröpper-Schwirtzek, welche rechtlichen Fragen sind für Praxen der Ganzheitsmedizin heute am drängendsten?
Viele Praxen erweitern ihr Leistungsspektrum. Damit stehen zentrale Fragen an: Wie kommunizieren Sie mit Ihren Patienten? Welche Leistungen bieten Sie an und wie wissenschaftlich begründet sind sie? Entscheidend ist, wie diese Aspekte in die Aufklärung eingebunden werden. Hinzu kommen Werbefragen, fehlerfreie Abrechnung und die praxisinterne Organisation. Wenn Sie diese Punkte systematisch angehen, reduzieren Sie das Risiko von Beschwerden und Verfahren erheblich.

Welche Formulare und Dokumente braucht eine integrativ arbeitende Praxis zwingend?
Sie benötigen einen umfassenden Behandlungsvertrag, klare Einwilligungserklärungen und gegebenenfalls Entbindungen von der Schweigepflicht für den Informationsaustausch. Wichtig ist, dass Patienten vorab wissen, dass in der Praxis auch komplementäre Verfahren angewandt werden, die vom Leitlinienstandard abweichen können. Transparente Gebühreninformationen und verständliche Aufklärungsbögen für jede Therapie sind zentral. Solche Dokumente müssen rechtsgültig formuliert sein und für Patienten verständlich dargestellt werden.
Wie muss eine Aufklärung aussehen, wenn eine Therapie außerhalb der Leitlinien angeboten wird?
Wenn Sie vom Leitlinienstandard abweichen, müssen Sie das klar kennzeichnen und erklären, dass es sich zum Beispiel um ein Neulandverfahren oder um einen individuellen Heilversuch handeln kann. Die Aufklärung muss verständlich sein, Alternativen benennen und Risiken darstellen. Nur mit einer wirksamen Einwilligung sind Sie rechtlich abgesichert. Bei besonders abweichenden Verfahren empfiehlt sich ein mehrseitiger Aufklärungsbogen, der vom Patienten unterschrieben wird.

Welche Haftungsfallen begegnen Sie in der Praxis besonders häufig?
Zwei typische Problemfelder sind unzureichende Aufklärung bei Außenseiterverfahren und fehlerhafte Abrechnung. Wird ein Verfahren ohne ausreichende Information durchgeführt, fehlt eine wirksame Einwilligung und es kann sogar der Straftatbestand der Körperverletzung berührt werden. Häufig sind auch falsch verwendete Gebührenziffern oder wiederholte fehlerhafte Rechnungen. Das kann in Richtung Abrechnungsbetrug gehen. Pauschalverrechnungen ohne rechtliche Grundlage sind ein weiterer häufiger Fehler, gerade bei neuen oder kosmetischen Leistungen.

Wie helfen Sie Praxen konkret, solche Probleme zu vermeiden?
Meist beginnen wir mit einem Workshop vor Ort: Wir analysieren Homepage, Formulare, Aufklärungsprozesse und Abrechnungspraxis. Daraus ergeben sich klare Maßnahmen: rechtskonforme Behandlungsverträge, verständliche Aufklärungsbögen, Schulungen der Mitarbeiter und, wenn nötig, Anpassungen bei der Gebührenvereinbarung. Abschließend kann eine Compliance‑Zertifizierung erfolgen, die Patienten und Behörden signalisiert: Hier wird sauber gearbeitet.

Herr Dr. Heinrich, wie hat sich Ihre Praxis verändert, seit Sie zertifiziert sind?
Dr. med. Ralf Heinrich berichtet, dass die Umstellung Arbeit war, aber sich gelohnt hat. Jeder Aufklärungsbogen wurde gemeinsam entwickelt, viele Therapien erhielten einen eigenen, zertifizierten Bogen. Patienten unterschreiben teils auf jeder Seite, sodass sämtliche Details dokumentiert sind. Ergebnis: seit der Zertifizierung keine Beschwerde der Ärztekammer und transparente, saubere Abrechnung. Das schafft Sicherheit für das Team und Vertrauen bei den Patienten.

Wie geht Ihre Beratung mit der Praxisbelegschaft um?
Compliance bedeutet nicht nur Formulare. Es geht auch um klare Arbeitsanweisungen, Schulungen und Zuständigkeiten. Wer klärt medizinisch auf? Welche Aufgaben dürfen nichtärztliche Mitarbeitende übernehmen? Die medizinische Aufklärung muss von fachlich geeigneten Personen erfolgen, idealerweise von der Person, die den Eingriff selbst vornehmen könnte. Wenn das Team gut geschult ist und Verantwortlichkeiten schriftlich geregelt sind, können viele Aufgaben delegiert werden, ohne die rechtliche Sicherheit zu gefährden.

Wie stark werden Ganzheitsmediziner kontrolliert? Muss man Angst vor Abmahnungen und Ermittlungen haben?
Es gibt tatsächlich viele Angriffsflächen: Verbraucherzentralen, Überwachungsbehörden und Zoll reagieren auf unzulässige Werbung, falsch deklarierte Produkte oder nicht konforme Medizinprodukte. Nicht jede Beschwerde führt zu einem Verfahren, aber vermeidbare Fehler ziehen oft formale Schritte nach sich. Ein sauberer rechtlicher Aufbau vermindert dieses Risiko erheblich. Transparenz, verständliche Aufklärung und korrekte Abrechnung sind die besten Präventionsmechanismen.

Wie verhalten Sie sich bei grenzüberschreitenden Behandlungen oder Geräten aus dem Ausland?
Die Grundprinzipien bleiben gleich: ein geregeltes Behandlungsverhältnis, ordnungsgemäße Aufklärung und rechtlich zulässige Gebühren. Es gibt lokale Unterschiede, etwa bei Gebührenvereinbarungen oder Werbevorschriften, aber insgesamt ist das rechtliche Feld in den Dachländern vergleichbar. Ein wichtiges Thema sind Medizinprodukte: Fehlt eine Konformitätserklärung, kann das Gerät beim Grenzübertritt durch den Zoll auffallen und Ermittlungen auslösen. In solchen Fällen prüfen wir Zweckbestimmung, Gebrauchsanweisung und Website und arbeiten an einer Neuaufstellung.

Wie beeinflusst die Öffnung der Universitäten für Ernährung und präventive Lehren die Lage?
Die Medizin entwickelt sich weiter. Ernährungsmedizin, Integrative Medizin und Prävention finden zunehmend Eingang in Lehre und Klinik. Das ist positiv: Es fördert die Schnittstelle Schulmedizin und Ganzheitsmedizin und ermöglicht, Patienten stärker an der Ursache zu behandeln statt nur an der Wirkung. Rechtliche Beratung begleitet diese Entwicklung, indem sie sichere Rahmenbedingungen schafft, in denen innovative Angebote verantwortungsvoll integriert werden können.

Praxisbeispiele und konkrete Handlungsfelder
- Aufklärung bei außerleitlinienmäßigen Therapien: mehrseitige, verständliche Bögen, Alternativen und Risiken benennen.
- Abrechnung: Vermeidung pauschaler, nicht zulässiger Pauschalen; korrekte Verwendung von Gebührenziffern und Honorarvereinbarungen.
- Websites und Werbung: Keine irreführenden Heilversprechen; wissenschaftlich belegte Aussagen bevorzugen.
- Mitarbeiterführung: Schulungen, Arbeitsanweisungen und eindeutige Delegationsregeln dokumentieren.
- Medizinprodukte: Sicherstellung von Konformitätserklärungen und korrekter Zweckbestimmung.

FAQ
Brauche ich als Naturheilkundler oder Integrativmediziner unbedingt eine juristische Prüfung meiner Formulare und Website?
Ja. Eine juristische Prüfung schützt vor Haftungsfällen, Abmahnungen und Strafverfahren. Sie sorgt dafür, dass Aufklärung, Behandlungsverträge und Werbeaussagen rechtskonform sind und schafft Vertrauen bei Patienten und Behörden.
Was passiert, wenn eine Behandlung außerhalb der Leitlinien ohne ausreichende Aufklärung erfolgt?
Fehlende oder unzureichende Aufklärung kann dazu führen, dass eine wirksame Einwilligung fehlt. In Extremfällen kann dies zivilrechtliche Haftung und sogar strafrechtliche Vorwürfe, etwa im Bereich Körperverletzung, nach sich ziehen.
Darf ich als Arzt oder Heilpraktiker pauschale Preise für neue Therapien verlangen?
Pauschalen sind in Deutschland oft rechtlich heikel und nicht zulässig. Die Abrechnung sollte fallbezogen, transparent und nachvollziehbar erfolgen. Bei Unsicherheit empfiehlt sich eine Honorarkonsultation und ggf. eine Honorarvereinbarung mit dem Patienten.
Wer darf die medizinische Aufklärung durchführen?
Die medizinische Aufklärung muss von fachlich geeigneten Personen erfolgen, idealerweise von denen, die den Eingriff selbst vornehmen könnten. Delegation an nichtärztliches Personal ist nur in engen, rechtlich sicheren Grenzen möglich und muss dokumentiert sein.
Gilt die Beratung und Zertifizierung auch für Praxen in der Schweiz und Österreich?
Ja. Die Beratung und die Prinzipien sind dachländerweit anwendbar. Lokale Details, wie Gebührenvereinbarungen oder nationale Werberegeln, werden im Workshop berücksichtigt. Die Grundprinzipien von Transparenz und rechtskonformer Dokumentation gelten überall.
Weiterführende Angebote und wie Sie Unterstützung finden
Wenn Sie Ihre Praxis rechtssicher gestalten möchten, empfiehlt sich ein strukturierter Einstieg: Workshop, Dokumentenprüfung, Schulung der Mitarbeitenden und abschließende Compliance‑Zertifizierung. Solche Prozesse schaffen Rechtssicherheit, stärken das Team und erhöhen das Vertrauen Ihrer Patientinnen und Patienten.
Ressourcen und Aktionen von QS24
Nutzen Sie die Angebote der QS24 Mediengruppe, um sich weiter zu informieren und zu vernetzen. QS24, wikiSana, QS24.tv, Sprechstunden stehen für verlässliche Inhalte, praktische Tools und Expertenformate.
- WikiSana: datenbankgestützte Plattform mit tausenden Sendungen und KI‑Unterstützung für die Recherche.
- QS24 Gesundheitskompass: Die erste Ausgabe erreichte eine Verteilauflage von 140’000 Exemplaren. Die zweite Ausgabe erscheint im November 2025 mit über 600.000 Exemplaren, davon rund 580.000 direkt im D‑A‑CH‑Raum verteilt.
- QS24 Academy: Einzigartige Kurse mit Expertinnen und Experten. Zertifikate zu relevanten Themen erhalten Sie unter: https://my.qs24.academy
- Online‑Ausgabe Gesundheitskompass: Durchstöbern Sie Inhalte auf: https://qs24.run/online
- QS24 App: Alle Sendungen mobil erleben: https://www.qs24.tv/qs24-app/
- QS24 Sprechstunden: Interaktive Experten‑Events mit Live‑Fragerunden – ideal für Networking und aktuelle Erkenntnisse: https://qs24.run/sprechstunden
- Newsletter: Bleiben Sie informiert und melden Sie sich an: https://www.qs24.tv/newsletter/
Abschließende Gedanken
Integrative Medizin braucht Mut, Herz und ein solides rechtliches Fundament. Wer seine Hausaufgaben macht und klare Strukturen schafft, schützt sich selbst, sein Team und die Patienten. Transparente Kommunikation, verständliche Aufklärung und saubere Abrechnung sind keine Bremsklötze für Innovation, sondern das sichere Fundament für langfristige, verantwortungsvolle Heilkunst.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Bleiben Sie neugierig, verantwortungsbewusst und mutig auf Ihrem Weg in die Ganzheitsmedizin.
Mit herzlicher Wertschätzung,
Alexander Glogg und das Team von QS24














