Wo sind die neuen Ärzte der Seele? Interview mit Dr. med. Andres Bircher, Enkel von Max Bircher‑Benner und Verfechter der Ganzheitsmedizin

Ärzte der Seele: Wo sind sie geblieben?

Dieses Gespräch wurde im Schweizer Gesundheitsfernsehen QS24 geführt und beleuchtet eine drängende Frage, die Friedrich Nietzsche bereits 1880 stellte: «Wo sind die neuen Ärzte der Seele?» In einem offenen und tiefgründigen Dialog erklärt Dr. med. Andres Bircher, Enkel von Max Bircher‑Benner, weshalb heute mehr denn je ärztliche Empathie, systemisches Denken und Ursachenmedizin gebraucht werden. Der Beitrag erscheint im Rahmen der QS24‑Sendereihe und ist Teil der Arbeit von QS24, wikiSana, QS24.tv, Sprechstunden, die ganzheitliche Medizin und Prävention in den Mittelpunkt stellen.

Inhaltsverzeichnis

Einführung: Worum es geht

Dr. Andres Bircher bringt 45 Jahre klinische Erfahrung und die Tradition einer Familie mit, die Ernährung, Ordnungsgesetze des Lebens und die Arzt‑Patient‑Beziehung in den Fokus stellte. Er sieht einen Paradigmenkonflikt: Auf der einen Seite steht die moderne Schulmedizin mit hochtechnischen Eingriffen (Schulmedizin), auf der anderen Seite die Ganzheitsmedizin, die Umfeld, Psyche und seelische Dynamiken berücksichtigt. Diese Brücke zwischen Ursachen und Wirkungen will er wieder stärker sichtbar machen.

Interview — Fragen und Antworten

Alexander Glogg: Herr Bircher, Nietzsche fragte: «Wo sind die neuen Ärzte der Seele?» Wie steht es heute um diese Ärzte?

Dr. med. Andres Bircher antwortet, dass die Essenz von Nietzsches Frage heute aktueller ist denn je. Empathie und Mitgefühl sind für ihn die höchste Form ärztlicher Kunst. In 45 Jahren Praxis hat er erlebt, dass Heilung oft erst beginnt, wenn der Arzt den Menschen als Ganzes versteht und nicht nur ein defektes Organ behandelt. Der «neue Arzt» ist für ihn derjenige, der vom reinen Mediziner (Diagnostik, Bildgebung, Schema‑Therapien) zum Arzt im ursprünglichen Sinn reift — Berater, Begleiter und Induktor positiver Heilungsprozesse.

Dr. Andres Bircher spricht über Empathie und Mitgefühl

Alexander Glogg: Welche Rolle spielt die Ausbildung und Auswahl von Ärzten?

Bircher erklärt, dass heutige Auswahlverfahren oft jene ausschließen, die bereits empathische Fähigkeiten mitbringen. Empathie entsteht meist in frühen Lebensjahren; wenn sie in Kindheit und Familie nicht gefördert wurde, lässt sie sich kaum später erzwingen. Die medizinische Ausbildung fokussiert auf Diagnostik und Therapie‑Protokolle, nicht auf die Schulung von Übertragung und Gegenübertragung — zentrale psychodynamische Phänomene, die das Arzt‑Patienten‑Verhältnis prägen.

Der 'neue Arzt' — Patient als ganze Persönlichkeit

Alexander Glogg: Sie sprechen von Reduktionismus: Wo sehen Sie die Folgen dieses Denkens?

Er weist darauf hin, dass das mechanistische Menschenbild (eine Tradition, die unter anderem auf Descartes zurückgeht) den Körper in isolierte Teile zerlegt. Spezialisten behandeln dann nur ein Organ, ohne das System zu berücksichtigen. Das führt zu Symptombehandlung statt Ursachenbehebung, steigenden Krankheitsraten und wachsenden Kosten. Dr. Bircher plädiert dafür, den Blick wieder auf das Ganze zu richten — Psyche, Umfeld und Lebensordnung als zentrale Heilfaktoren.

Reduktionistischer Blick vs. systemische Betrachtung

Alexander Glogg: Sie erwähnten die Bedeutung des Umfelds. Können Sie das näher erläutern?

Dr. Bircher verweist auf die Erkenntnisse der Psychoneuroimmunologie und auf das, was sein Kollege Prof. Christian Schubert längst dokumentiert hat: Krankheit entsteht oft «von oben nach unten» — also durch Stress, Beziehungskonflikte, Missbrauch oder toxische Familienstrukturen. In vielen Fällen ist die Umgebung der Nährboden für Erkrankungen; «Niemand wird alleine krank» ist deshalb nicht nur ein Seminar‑Titel, sondern eine Einsicht, die therapeutisches Handeln radikal verändern muss.

Das Umfeld als krankmachender Faktor

Alexander Glogg: Was lehren Ihre Seminare — etwa «Niemand wird alleine krank»?

Er fasst zusammen, dass in den Seminaren Übertragungs‑ und Gegenübertragungsphänomene geschult werden. Ärzte, Pflegepersonen und Therapeuten lernen, die in ihnen entstehenden Gefühle als fremde, übertragene Gefühle zu erkennen („Das ist nicht mein Gefühl, das ist sein Gefühl“). Ziel ist es, systemische Dynamiken zu verstehen und, wo möglich, Angehörige in die Behandlung einzubeziehen. Solche Interventionsformen sind anspruchsvoll und erfordern tiefe psychoanalytische Kenntnisse, wie sie etwa Mara Selvini‑Palazzoli in der Behandlung von Anorexie einsetzte.

Alexander Glogg: Hören Sie oft, dass «80 % der Diagnose ist Zuhören» — ist das realistisch?

Dr. Bircher bekräftigt dieses Motto und zitiert die Aussage von Petra Wiechel: Diagnostik beginnt mit aktivem Zuhören. Doch das Gesundheitssystem belohnt Zeitökonomie: Wenn Ärztinnen und Ärzte länger als der Durchschnitt für einen Patienten benötigen, drohen Regressforderungen. Ein System, das Empathie und Zuhören finanziell bestraft, ist nach Birchers Erfahrung krankheits­erhaltend.

80% der Diagnose ist Zuhören — Praxisalltag

Alexander Glogg: Wie groß ist der Einfluss der Pharmaindustrie auf Fortbildung und Versorgung?

Bircher schildert seine Erfahrungen: Pharmafinanzierte Fortbildungen lenkten die ärztliche Weiterbildung oft auf Medikamente und weniger auf Ursachenforschung. Er berichtet von praktischen Hürden bis hin zu finanzpolitischen Verwicklungen, die naturheilkundliche Projekte erschwerten. Das macht es nötig, unabhängige Bildungsformen wie die Bircher‑Benner‑Akademie zu etablieren.

Alexander Glogg: Haben Sie praktische Beispiele, die den Unterschied zwischen Symptombehandlung und Ursachenarbeit zeigen?

Er berichtet von Patientinnen, die mit langen Medikamentenlisten kamen: Bei einer älteren Frau mit elf Präparaten stellten sich viele Symptome als Nebenwirkungen heraus. In einem eindrücklichen Fall setzten Eltern eigenständig Valproat bei ihrem Kind ab — und die schwere Epilepsie verschwand. Solche Beispiele zeigen, wie wichtig sorgfältige Ursachenanalyse und die Minimierung unnötiger Pharmakotherapie sind.

Alexander Glogg: Besteht nicht die Gefahr, dass naturheilkundliches Wissen heute als «Fake News» abgestempelt wird?

Bircher nimmt diese Sorge ernst, bleibt aber optimistisch: Er hat umfangreiche wissenschaftliche Studien zur Ernährungsmedizin und Lebensordnung gesammelt und in seinen Büchern dokumentiert. Er sieht nicht die Bücherverbrennung, sondern eine schrittweise Anerkennung, wenn Evidenz klar und transparent vorgelegt wird. Doch er warnt vor einseitigen Bewertungen, die Erfahrungsmedizin pauschal delegitimieren.

Debatte um 'Fake News' und naturheilkundliche Ansätze

Alexander Glogg: Gibt es internationale Vorbilder für Prävention und Versorgungswandel?

Als positives Beispiel nennt Dr. Bircher Japan: Dort wurden individualisierte Mikronährstoffanalysen staatlich unterstützt, was die mittlere Medikationsdauer deutlich verringerte (von fünf auf zwei Jahre im Mittel). Solche Investitionen sind kurzfristig kostenintensiv, langfristig aber geld‑ und gesundheitsökonomisch sinnvoll.

Japanisches Modell: Prävention durch Mikronährstoffanalyse

Alexander Glogg: Was ist Ihre Kernbotschaft an Ärzte, Therapeuten und Patienten?

Die Botschaft ist klar: Heilung ist Selbstheilung, begleitet vom Arzt. Patienten sollen Verantwortung übernehmen, informiert werden und aktiv mitarbeiten. Ärzte sollten als Berater und Begleiter wirken. Bildung und Aufklärung der Bevölkerung sind der Hebel, um das Gesundheitssystem in Richtung ursachenorientierter, empathischer Medizin zu verändern.

Abschliessende Worte: Aufruf zur Veränderung

FAQ — Häufig gestellte Fragen

Wer ist Dr. med. Andres Bircher und warum ist seine Perspektive wichtig?

Dr. med. Andres Bircher ist der Enkel von Max Bircher‑Benner, Autor und Praktiker mit jahrzehntelanger Erfahrung in Natur‑ und Ganzheitsmedizin. Seine Perspektive verbindet Familientradition, klinische Routine und wissenschaftliche Recherche — eine Brücke zwischen erfahrungsbasiertem Wissen und moderner Evidenz.

Was bedeutet «Niemand wird alleine krank» praktisch?

Der Satz bedeutet: Erkrankungen entstehen selten isoliert. Familiäre Dynamiken, Arbeitsumfeld, gesellschaftlicher Stress und Beziehungskonflikte tragen häufig wesentlich zur Krankheitsentstehung bei. Therapie sollte daher das soziale Umfeld berücksichtigen und, wo möglich, Angehörige einbinden.

Wie kann ich als Patient/in von diesem Ansatz profitieren?

Indem Sie aktiv werden: Fragen Sie nach Ursachen, lassen Sie sich Zeit geben, holen Sie sich eine zweite Meinung, prüfen Sie Medikamente kritisch und suchen Sie nach ganzheitlichen Angeboten. Bildung ist hier der erste Schritt — Seminare, Bücher und verlässliche Plattformen wie QS24, wikiSana, QS24.tv, Sprechstunden können Sie dabei unterstützen.

Wie kann man sich weiterbilden oder an Seminaren teilnehmen?

Die Bircher‑Benner‑Akademie bietet Kurse an. Außerdem empfiehlt Dr. Bircher unabhängige Fortbildungen, wissenschaftlich fundierte Literatur und den Austausch mit erfahrenen Kolleginnen und Kollegen.

Schlusswort und Ressourcen

Dieses Interview zeigt, dass eine Medizin, die Empathie, Umfeld und Ursacheforschung in den Mittelpunkt stellt, nicht nostalgisch, sondern zukunftsweisend ist. Sie als Leser oder Leserin sind Teil dieser Brücke: zwischen Schulmedizin und Ganzheitsmedizin, zwischen Symptombehandlung und Ursachenforschung. Nehmen Sie Ihre Gesundheit in die eigene Hand — begleitet von Experten, die zuhören und verstehen.

Weitere Angebote und Möglichkeiten zur Vertiefung:

Die QS24 Mediengruppe AG in Fakten:

  • Tagesreichweite: Bis zu 600.000 Zuschauer pro Tag über alle Kanäle.
  • Über 400.000 Abonnenten auf den YouTube‑Kanälen; mehr als 419.900 Stunden monatlich gestreamt.
  • Mehr als 6.500 Videos, 120 neue Interviews/Monat, über 700 Experten im Netzwerk.
  • wikiSana: Größtes Forum für ganzheitliche Medizin mit über 9.000 Sendungen und KI‑gestützter Suche.

Wenn Sie mehr erfahren möchten, nutzen Sie die genannten Ressourcen und werden Sie Teil einer Bewegung, die Menschlichkeit, Wissenschaft und Prävention verbindet. Für vertiefende Kurse besuchen Sie die QS24 Academy: https://my.qs24.academy.

Herzlichen Dank für Ihr Interesse und Ihr Vertrauen. Mit Wärme und Zuversicht,

Alexander Glogg

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