Bürgermeisterkippen: Die unsichtbare Gefahr unter unseren Füssen – Was wirklich im Boden schlummert

Sie denken Ihr Wasser ist sauber Nach diesem Interview denken Sie anders

Inhaltsverzeichnis:

Kaum jemand kennt das Wort „Bürgermeisterkippen“ – und doch liegen ihre Überreste fast überall unter Europas Städten und Dörfern verborgen. Erich Meidert, Deutschlands bekanntester Wasserexperte, brachte die Autorin dieses Blogs sogar zum Stirnrunzeln: Was steckt hinter diesem kuriosen Begriff? Ihre eigenen Erfahrungen auf einer Spaziergangstour, als sie über eine merkwürdig glatte Wiese im Münchner Umland stolperte, passen mehr als gedacht. Plötzlich steht fest: Zwischen Kiesgruben, Bierbrauereien aus dem 19. Jahrhundert und wachsenden Städten lauern tickende Zeitbomben, denen selten Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Bürgermeisterkippen: Ein unbequemer Rückblick in die Geschichte und wie alles begann

„Bürgermeister-Kippen sind nicht etwa die Überbleibsel von gerauchten Zigaretten… es geht noch viel tragischer.”

Der Name klingt harmlos, fast amüsant. Doch hinter dem Begriff “Bürgermeisterkippen” verbirgt sich ein düsteres Kapitel deutscher Umweltgeschichte. Was hat es damit auf sich?

Der Beginn eines Umweltproblems

Die Geschichte beginnt mit der Industriellen Revolution. Ab etwa 1850 veränderte sich Deutschland radikal. Fabriken schossen aus dem Boden. Menschen zogen in Scharen vom Land in die Städte. Ein beispielloser Bauboom begann – und hält bis heute an.

Die Zahlen sprechen für sich: München zählte um 1900 gerade einmal 700.000 bis 800.000 Einwohner. Heute sind es über 1,5 Millionen. Kleine Gemeinden wuchsen zu Städten heran.

“Wo früher, ich hatte im Landkreis Vaterstetten gewohnt, da waren’s dreizehnhundert Einwohner. Jetzt sind’s dreiundzwanzigtausend.”

Die fatale Lösung für ein wachsendes Problem

Mit dem Bauboom entstand ein Problem: Wohin mit all dem Müll? Die Lösung erschien einfach. Überall im Land gab es durch den Kiesabbau entstandene Gruben. Perfekt zum Verfüllen!

Und wer traf diese Entscheidungen? Richtig – die lokalen Bürgermeister. Daher der Name “Bürgermeisterkippen”.

  • Industrielle Revolution als Auslöser stetigen Baubooms
  • Kiesgruben wurden massenhaft mit Müll verfüllt – und nein, es ging nicht um Zigarettenstummel!
  • Die Rolle lokaler Entscheidungsträger und die fehlende Umweltregulierung bis 2009

Von harmlosen Anfängen zu toxischen Zeitbomben

Anfangs landete dort vor allem Bauschutt und Haushaltsmüll. Doch mit der wachsenden Industrie änderte sich das dramatisch. Plötzlich verschwanden dort auch:

  • Industrieabfälle
  • Chemikalien
  • Batterien
  • Und vieles mehr, was niemand mehr haben wollte

Das Schlimmste daran? Es gab praktisch keine Umweltschutzauflagen. Nichts wurde abgedichtet. Alles versickerte langsam ins Grundwasser.

“Erst im Jahr 2009 wurde verpflichtend festgelegt, dass das Ganze abgedichtet werden muss, was du verfüllst im Boden.”

Man muss sich das vorstellen: Fast 160 Jahre lang wurden Abfälle aller Art einfach in den Boden gekippt! Ohne Schutz, ohne Kontrolle, ohne Gedanken an morgen.

Die Spuren in der Landschaft

Heute sind manche dieser alten Deponien kaum noch erkennbar. Sie wurden überbaut, begrünt oder umgenutzt. Aber die Gefahren schlummern verdeckt weiter.

Unsichtbare Lasten: Wie Altlasten heute das Trinkwasser gefährden

Was wir nicht sehen können, macht uns oft am meisten Sorgen. Unter scheinbar idyllischen Wäldern, Wiesen und sogar Wohngebieten lauert eine unsichtbare Gefahr: die sogenannten “Bürgermeisterkippen” – alte Mülldeponien, über die buchstäblich Gras gewachsen ist.

Von scheinbarer Idylle zu toxischer Gefahr

Der Anblick täuscht. Wo heute Bäume wachsen oder Kinder spielen, befanden sich früher oft unkontrollierte Müllgruben. Nach dem Motto “aus den Augen, aus dem Sinn” wurde einfach verfüllt, Humus drüber, fertig.

“Da haben wir früher das Zeug reingeschüttet. Und das ist dann so, da sind die Ablagerungen drin, der Müll. Und zwar jeder Müll, egal wie, wo, was, haben wir rein- und abgekippt.”

Das erschreckende Ausmass dieses Problems zeigt sich in den Zahlen: 360.000 Altlastenverdachtsflächen listet das Umweltbundesamt in Deutschland. Dazu kommen 220 ehemalige Militärstandorte als besondere Risikoflächen.

Ein besonders tragisches Beispiel ist der Silbersee bei Nürnberg: ein optisch idyllisches Gewässer, tatsächlich aber hochgradig kontaminiert. 50 Menschen sollen dort bereits durch Kontakt mit dem verseuchten Wasser gestorben sein.

Gefährliche Cocktails im Grundwasser

Was früher vergraben wurde, bleibt nicht an Ort und Stelle. Regenwasser sickert durch die alten Deponien und transportiert die Giftstoffe ins Grundwasser.

Von Quecksilber aus alten Bahnschwellenwerken bis hin zu “allem, was krebserregend ist” – die Liste der Schadstoffe ist lang und beunruhigend. Erst seit 2009 gibt es eine verpflichtende Vorschrift, Mülldeponien komplett abzudichten – vorher landete alles ungeschützt im Boden.

Die Folgen sind messbar: Noroviren wurden in 200.000 von 600.000 untersuchten Wasserproben nachgewiesen. Die aktuellen 3-4 Filterstufen der Wasserwerke reichen längst nicht mehr aus – sechs wären mindestens nötig.

Die tickende Zeitbombe: Wirtschaft vor Gesundheit?

Besonders brisant wird es, wenn man erfährt, wie Behörden mit diesem Problem umgehen. Oft wird aus wirtschaftlichen Gründen weggeschaut:

“Und dann gehst du zum Landrat oder zu den Behörden und sagst, ja, schaut mal Leute, das Wasser hier, was hoch kontaminiert ist, das läuft unterirdisch in dieses Waldgebiet rein. Und da wird aber Mineralwasser gezapft. […] ‘Bitte, bist du ein netter Kerl. Bitte, lass mich in Ruhe. Das ist der grösste Steuerzahler bei uns.'”

Selbst in vermeintlich unberührten Regionen wie dem bayerischen Oberland stösst man auf heftige Abwehrreaktionen, wenn man das Thema anspricht. Niemand will sich wirklich interessieren oder gar Verantwortung übernehmen.

Hunde als „Wasser-Detektive” und die unterschätzte Weisheit der Natur

In einer Welt voller wissenschaftlicher Messgeräte und chemischer Analysen übersehen wir oft die natürlichsten Indikatoren für Umweltprobleme: unsere tierischen Begleiter. Besonders Hunde zeigen ein bemerkenswertes Gespür für die Qualität von Wasser – ein Instinkt, der uns Menschen oft fehlt.

Der verborgene Kompass der Natur

Haben Sie sich jemals gefragt, warum Ihr Hund manche Wasserstellen meidet? Es ist kein Zufall. Tiere verfügen über einen natürlichen Instinkt, der sie vor belasteten Wasserquellen warnt. Diese unglaubliche Fähigkeit könnte für uns Menschen ein wichtiger Kompass sein.

Ein Wasserexperte berichtet von einer interessanten Beobachtung: Während Menschen Wasserqualität anhand von Laborwerten beurteilen, nutzen Tiere ihre Sinne – und liegen damit oft richtiger als unsere technischen Analysen.

„Die besten Tester sind halt Hunde… weil sie den Instinkt haben.”

Diese Aussage verdeutlicht, wie sehr wir die natürliche Intelligenz unserer vierbeinigen Freunde unterschätzen. Ihre Fähigkeit, Gefahren zu erkennen, die für uns unsichtbar bleiben, ist beeindruckend.

Anekdote: Der Hunde-Wasser-Test

Der Experte berichtete von einem aufschlussreichen Experiment. Er beobachtete, wie Hunde und Katzen aus natürlichen Pfützen trinken, während sie behandeltes Leitungswasser oft verschmähen. Diese Beobachtung führte ihn zu einer unkonventionellen Methode:

Bei seinen weltweiten Wasseranalysen – ob in Pakistan oder anderswo – vertraut er nicht nur auf technische Messgeräte, sondern beobachtet auch das Verhalten der lokalen Tiere. Nach tausenden Wasserproben kam er zu einem erstaunlichen Schluss: Tiere meiden instinktiv Stellen mit Altlasten und problematischer Wasserqualität.

Die Erkenntnis ist alarmierend: Was Wasserwerke für unbedenklich erklären, bewerten Tiere oft anders. Ein Weckruf, tierischen Instinkten mehr Aufmerksamkeit zu schenken?

Die verborgene Welt unter unseren Füssen

Doch nicht nur das Wasser, auch der Boden birgt Geheimnisse. Unter dem Mikroskop offenbart eine Handvoll Erde mehr Lebewesen, als es Menschen auf unserem Planeten gibt – eine schier unendliche Komplexität.

Diese Bodenvielfalt ist entscheidend für unser Ökosystem. Leider dringen Schadstoffe aus den sogenannten “Bürgermeisterkippen” mit jedem Regen tiefer in diese empfindliche Welt ein:

“Mit jedem Regen wird es weiter runtersickern. Es geht gar nicht anders. Und dann schaust du, es geht in die Erde rein.”

Was bedeutet das für unsere Wasserversorgung? Die Situation ist komplex. Nach etwa 15.000 analysierten Wasserproben zieht der Experte ein ernüchterndes Fazit zur Qualität unseres Trinkwassers.

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